Plasma

Haftvermittlung

Mittels Plasmabehandlung ist es möglich eine optimale Haftung zwischen zwei Materialien auf der kompletten Grenzfläche zu erhalten. Die Haftung erfolgt, indem chemisch kovalente Bindungen bei Temperaturen unter 50°C gebildet werden. Plasmabehandlungen erzeugen entweder reaktive Beschichtungen oder chemisch funktionelle Gruppen und Radikale in der Oberfläche. Dies ermöglicht es Metalle mit Kunststoffe sowie Kunststoffe mit Kunststoffen zu verbinden.

Haftung von Kunststoff auf Kunststoff

Viele Kunststofftypen sind unter Normalbedingungen gegenüber den meisten Chemikalien inert. Das heißt, dass man Kunststoffe sogar auflösen kann, die Polymerketten aber keine chemischen Reaktionen eingehen. So lässt sich beispielsweise Polyethylen (PE) nur aufwändig kleben und ist gegen Säuren und Basen resistent. Im Vergleich dazu lässt sich Polyamid aufgrund der im Polymer vorhandenen chemisch reaktiven Gruppen relativ einfach kleben. Diese sogenannte funktionellen Gruppen können chemische Bindungen zu anderen Polymeren bilden. Das Ergebnis ist eine ideale Haftung. Die Energie im Plasma ist ausreichend, um chemische Bindungen im Polymer des Kunststoffs zu brechen. Die offenen Bindungen können mit chemischen Substanzen reagieren (z.B. Klebstoffen) oder es können funktionelle Gruppen im Plasma daran gebunden werden.

Die einfachste Möglichkeit, einen Kunststoff chemisch zu aktivieren, ist die Verwendung eines Argon-Plasmas. Dabei wird das Substrat in eine Vakuumkammer gelegt und diese mit dem Edelgas Argon gefüllt. Durch das Anlegen einer elektrischen Spannung an eine Elektrode in der Kammer wird ein Teil der Argonatome ionisiert und damit ein Plasma gezündet. Die Argonionen im Plasma sind bestrebt, wieder elektrisch neutral zu werden, indem sie ein Elektron einfangen. Die Reaktivität der Ionen ist so stark, dass Elektronen aus chemischen Bindungen im Polymer des Kunststoffs entfernt werden. Das Ergebnis sind offene Bindungen (ungepaarte bindende Elektronen) in der Kunststoffoberfläche, siehe Abb. 1.

Abb 1: Effekt von Argon-Ionen auf PE. (Es wer- den auch C−C-Bindungen angegriffen. Das Wasserstoffion kann im Plasma mit einem Elektron reagieren oder sich anderweitig an eine Oberfläche anlagern.)
Abb 1: Effekt von Argon-Ionen auf PE. (Es wer- den auch C−C-Bindungen angegriffen. Das Wasserstoffion kann im Plasma mit einem Elektron reagieren oder sich anderweitig an eine Oberfläche anlagern.)

Die im Plasma erzeugte elektromagnetische Strahlung ist stark genug, um Bindungen im Polymer aufzubrechen. Durch Anregung der Atome und Moleküle im Plasma entsteht Strahlung im Bereich von Infrarot bis UV. Die UV-Strahlung ist der Anteil, der energiereich genug ist, um die Bindungen zu brechen. Die möglichen Reaktionen sind am Beispiel von Polypropylen (PP) in Abb. 2 dargestellt.

Plasmabehandlungen mit Argon haben den Vorteil, dass die Oberflächenchemie des Bauteils nicht verändert wird. Der Nachteil ist, dass die offenen Bindungen relativ schnell wieder rekombinieren. Um auch einige Stunden nach der Aktivierung noch genügend offene Bindungen in der Oberfläche zu haben, muss deswegen relativ lange aktiviert werden (mehrere Minuten). Als Nebeneffekt können offene Bindungen von verschiedenen Polymerketten miteinander reagieren. Kettige Polymere werden so quervernetzt. Dieser Effekt kann gezielt eingesetzt werden, um beispielsweise die Shore-Härte von Elastomeren an der Oberfläche zu erhöhen.

Das Bauteil bleibt insgesamt so elastisch wie vor der Plasma-Behandlung. Die Oberfläche hat jedoch eine geringere Oberflächenenergie, so dass die Bauteile weniger zusammenkleben und kaum noch Partikel aus der Umgebung an ihnen hängen bleiben. Bei einigen Kunststofftypen, die besonders stark auf UV-Strahlung reagieren, wie z. B. Polyoxymethylen (POM), kann sich das Material durch die Plasmabehandlung permanent verändern. Je nach der Eindringtiefe der UV-Strahlung kann es zu Rissbildungen oder Verfärbungen kommen. Da die Veränderung von der Strahlendosis abhängt, sollten diese Materialien möglichst kurz aktiviert und anschließend getestet werden.

Abb. 2: Mögliche Reaktionen von PP durch UV-Strahlung während einer Plasmabehandlung.
Abb. 2: Mögliche Reaktionen von PP durch UV-Strahlung während einer Plasmabehandlung.

Wird ein Plasma verwendet, das Moleküle enthält, können die erzeugten offenen Bindungen mit chemisch funktionellen Gruppen belegt werden. Eines der am häufigsten zur Kunststoffaktivierung eingesetzten Gase ist Sauerstoff, da sich damit schnell (innerhalb von Sekunden) Hydroxygruppen (OH-Gruppen) in die Oberfläche einbringen lassen. Abb. 3 zeigt die dabei ablaufenden Reaktionen.
Bei zu langer Plasmabehandlung mit Sauerstoff wird hingegen der Kunststoff oxidiert. Die Oberfläche wird dann nicht nur aktiviert, sondern auch geätzt.

Die Hydroxygruppen in der Oberfläche sind in der Lage, mit anderen chemischen Gruppen in der Oberfläche des zweiten Materials zu einer kovalenten Bindung zwischen beiden Materialien zu reagieren. OH-Gruppen können z. B. mit NH2-Gruppen (Aminogruppen) unter Abspaltung von Wasser in einer Kondensationsreaktion reagieren.

Abb 3: Erzeugung von Hydroxygruppen auf PP in einem Sauerstoff-Plasma.

Chemische Reaktionen

Tab. 1: Chemische Reaktionen von häufig eingesetzten funktionellen Gruppen.

Reaktion
Ergebnis

Hydroxy + Amino

Hydroxy + Epoxy

Hydroxy + Carboxy

Hydroxy + Vinyl

Hydroxy + Isocyanat

Amino + Epoxy

Amino + Carboxy

Amino + Vinyl

Amino + Isocyanat

Vinyl + Thiol

Tab. 1 listet chemische Reaktionen von oft zur Haftvermittlung eingesetzten funktionellen Gruppen auf. Aufgrund der Kunststoffzusätze muss jedoch immer im Einzelfall getestet werden, welche Funktionalisierung und welcher Haftvermittler in der Praxis einsetzbar ist.

Für die Plasmabehandlung von Kunststoffen ist es wichtig zu verstehen, dass kettige Polymere beweglich sind. Die Ketten können rotieren, so dass funktionelle Gruppen, die im Plasmaprozess an das Polymer angehängt wurden, nach einiger Zeit nicht mehr aus der Oberfläche ragen. Dadurch sind sie für Reaktionen auf der Oberfläche nicht mehr verfügbar. Eine direkte Aktivierung von Polymeren ist somit zeitlich nicht stabil. Z. B. ist bei gängigen Polyethylen-Typen eine Aktivierung mit Sauerstoff meist nur einige Stunden bis 2 Tage nutzbar. Abb. 7 illustriert den Effekt der Rotation von aktivierten Polymerketten.

Abb 7: Prinzip der Rotation von aktivierten Polymerketten.
Abb 7: Prinzip der Rotation von aktivierten Polymerketten.

Bei vernetzten Polymeren ist die innere Beweglichkeit des Polymers stark eingeschränkt, da die Kettenabschnitte sehr kurz sind. Bei stark vernetzten Polymeren, den Duroplasten, ist die Vernetzung so stark, dass eine Aktivierung bis hin zu Wochen nutzbar ist. Diesen Umstand kann man auch für gering oder nicht vernetzte Polymere nutzen, indem man auf die Kunststoffoberfläche ein stark vernetztes Plasmapolymer aufbringt. Dabei wird zuerst das Polymer im Plasma aktiviert und dann ein Plasma in einem Gas aus sogenannten Precursormolekülen gezündet. Abb. 8 zeigt das Prinzip der Plasmapolymerisation. Die Precursormoleküle werden im Plasma fragmentiert und ionisiert. Kommen die Fragmente und Ionen mit der aktivierten Oberfläche in Berührung, werden sie chemisch an die Oberfläche gebunden. Aus den Molekülfragmenten entsteht so eine Plasmapolymer-Beschichtung. Plasmapolymere sind stark vernetzt, und enthalten keine sich wiederholenden Ketteneinheiten. Dadurch haben z. B. Plasmapolymere auf Silikonbasis andere Eigenschaften als kettige Silikonpolymere.
Aktiviert man die aufgebrachte Plasmapolymerschicht, hat man quasi eine dünne Schicht Duroplast aktiviert und die Aktivierung ist lange nutzbar.

Abb 8: Prinzip der Plasmapolymerisation.
Abb 8: Prinzip der Plasmapolymerisation.

Plasmapolymerschichten sind jedoch nicht in jedem Fall für eine lange nutzbare Aktivierung notwendig. Wird im Plasma oder direkt nach der Plasmaaktivierung ein Haftvermittler aufgebracht, der aus großen Molekülen besteht, können sich diese aufgrund ihrer Größe nicht komplett in das Polymer hineindrehen, siehe Abb. 9.

Abb 9: Beispiel für ein auf die Kunststoffoberfläche aufgebrachtes Molekül, dass sich wegen seiner Größe nicht komplett in das Polymer drehen kann.
Abb 9: Beispiel für ein auf die Kunststoffoberfläche aufgebrachtes Molekül, dass sich wegen seiner Größe nicht komplett in das Polymer drehen kann.

Alle Metalle (mit wenigen Ausnahmen wie Gold) und Metalllegierungen besitzen auf der Oberfläche eine native Oxidschicht, die auch Hydroxygruppen enthält. Die Oxidschicht kann zur Haftvermittlung genutzt werden, indem man ein Plasmapolymer auf die Oxidschicht aufbringt. Je nach Material des Substrats ist es hilfreich, die Oberfläche in einem Sauerstoffplasma vorher gezielt weiter zu oxidieren. Das Plasmapolymer ist dann kovalent an das Substrat gebunden und man kann die oben beschriebenen Techniken zur Haftung von Kunststoff auf Kunststoff einsetzen.

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